Die Kanarischen Boat-People
Im Spanischen Bürgerkrieg hatte das alte Regime in Spanien - und auf den Kanarischen Inseln noch viel mehr - auf der ganzen Linie gesiegt. Für die Kanarier, die sich nicht damit abfinden wollten, von dem dumpfen Regime um ihr Leben betrogen zu werden, kam wieder nur die Auswanderung in Frage. Für die Aufmüpfigen, die protestierten, weil sie mit ihrem von oben verordneten Schicksal nicht einverstanden, war die Flucht oft lebensrettend. Aber wohin? Es blieb schließlich nur Venezuela übrig, das mit Petro-Dollar reich gesegnet war, aber keine Menschen hatte. Außerdem hatte das Regime die Auswanderung verboten. Dass die Verlierer des Bürgerkrieges sich einfach davonmachen und die Sieger auf dem leeren Land sitzen lassen konnten, kam nicht in Frage.
Sie machten sich trotzdem davon. Zuerst die gut ausgebildeten Angehörigen der um ihre Zukunft betrogenen neuen bürgerlichen Klasse, die den wirtschaftlichen Aufschwung bis 1929 und danach die Republik getragen hatten. Sie lieferten glänzende Beweise für ihre organisatorischen und technischen Fähigkeiten. Zwischen 1948 und 1955 strömte die heimliche Auswanderung nach Venezuela, deren Umfang erst in den letzten zehn Jahren bekannt geworden ist. Es fuhr alles nach Amerika, was schwimmen konnte.
Insgesamt verließen nach offizielle Zahlen von 1941 bis 1970 etwa 80.000 Menschen ihre Inseln. Aber was bedeuten schon offizielle Zahlen in dieser Materie? Es werden über 100.000 gewesen sein, von etwa 700.000 Bewohnern der Inseln um 1945. In diesen Jahren wurde Venezuela zur zweiten Heimat der Kanarier, zur "Achten Insel".