Geschichte einer Chronik: Le Canarien
Über die Eroberung der ersten Kanarischen Inseln ab 1402 gibt es eine Chronik, eher ein Kriegstagebuch, das seit 1630 das Bild der beiden Eroberer der ersten Kolonie der Neuzeit prägte: Jean de Béthencourt, der große Held und Befehlshaber. Gadifer de la Salle, der Mann für's Grobe, der tumbe Befehlsempfänger.
Erst 1896 wurde die eigentliche Chronik entdeckt, verfasst größtenteils von Gadifer de la Salle selbst, der offensichtlich ein großer Freund der Literatur war. Es sollte eigentlich eine schön bebilderte Werbeschrift werden, mit der de la Salle Geldgeber für die Durchsetzung seiner Rechte an den Inseln überzeugen wollte. Béthencourt hatte ihn betrogen und ausgebootet. Doch es kam nicht mehr dazu. Die von der Familie Béthencourt gefälschte Chronik bestimmte über Jahrhunderte das Bild.
Auf den Inseln kam die Änderung der Geschichte schleppend an. Erst 1960 erschien eine vergleichende und kritisch kommentierte Transkription der beiden Chroniken, die historischen Figuren Béthencourt, de la Salle und die anderen namentlich bekannten Eroberer (darunter zwei Deutsche), der erste Startversuch des europäischen Kolonialismus scheinen keinerlei Interesse zu wecken, weder in der kanarischen noch in der weiteren spanischen oder europäischen Geschichtsschreibung.