El Corredera
ein kanarischer Mythos
Man sollte jedenfalls nicht glauben, dass das Franco-Regime nach 1958 ohne weitere Opfer von einer "Dictadura" in eine so genannte "Dictablanda" der letzten 17 Jahre des Regimes umschwenkte, also opportunes Umschwenken von einer "harten" in eine "weiche" Diktatur, wegen des internationalen Renommees. Es gelang den Hardlinern der Diktatur, noch ein letztes brutales Exempel zu statuieren, eine Warnung, dass ja niemand glauben sollte, das Regime würde sich mit dem Tourismus auch liberalen oder gar demokratischen Tendenzen öffnen. Das Opfer des Exempels sollte Juan García "El Corredera" (Riemenschneider) werden, ehemaliger Lederarbeiter aus Telde, Gran Canaria. Juan García hatte sich für die Republik engagiert, er war auch einer der wenigen, die am 18. Juli 1936 bewaffneten Widerstand gegen den Putsch der Generäle ausübten, was ihn dazu zwang, sich nach dem Zusammenbruch des Widerstandes zu verstecken. Und sich unsichtbar machen, durchschlüpfen, darin war er einsamer Meister. Als Hobby-Jäger kannte er das Innere Gran Canarias wie seine Westentasche. Jahrelang lebte er in verlassenen Höhlen, einige Jahre unter falschem Namen in Las Palmas, "El Corredera" entwischte allen Fallen, einmal als Frau verkleidet. Mit den Jahren wurde er eine heimliche Berühmtheit, überall auf der Insel erhielt er Hilfe.
Gefasst wurde er erst 1958. Der Prozess gegen ihn wegen eines unklaren Totschlages und anderer Delikte wurde einem Militärtribunal zugeschanzt, das ihn zu Tode mit der Garrote, dem Würgeisen, verurteilte. Trotz aller Bitten um Begnadigung, sogar des Papstes, bestätigte der Diktator Franco das Urteil.
Die Hinrichtung wurde 1959 vollzogen, aber erst, nachdem Juan García "El Corredera" sie selbst in die Hand genommen hatte. Als sich der Sitz für seine Erwürgung als zu niedrig erwies, ließ er einige Decken kommen, um sich daruf zu setzen. Dann konnte die eiserne Schlinge um seinen Hals gelegt werden. "El Corredera" hat seitdem für die gesamte kanarische Gesellschaft eine unverückbare Dimension erhalten. Das Leben und Sterben eines einfachen Mannes, der für sich und seine Leute gekämpft hat, der sich über 20 Jahre lang verstecken musste und der mit Würde starb, was ihn unsterblich machte. Heute ist er nur noch "Juan El Nuestro", "Juan Der Unsere".