Kanarischer Humor
Einer der tiefsten Einblicke in die Psyche eines Volkes bietet sein Humor, worüber gelacht oder zumindest gelächelt wird. Da die Kanarier ungern Einblick in ihre Gedanken und Gefühle geben, ist ihr Humor ebenfalls von einem Hang zum Verdeckten, Hintersinnigen und Verschrobenen geprägt. Außer den Themen, über die gelacht wird, ist aber auch der Stil, wie diese Themen angegangen werden, von Interesse. Und dieser Stil unterscheidet den kanarischen Humor deutlich von dem spanischen. Dazu zwei Beispiele kanarischer Humoristen, die als weithin bekannte Stellvertreter kanarischer Urtypen anerkannt sind. CDs mit ihren Sketchen sind in jedem besseren Plattenladen zu finden, es ist eine Herausforderung an jeden, der sich mit dem Spanisch der Kanarischen Inseln beschäftigen möchte.
Die erste, ältere Figur ist Pepe Monagas, eine literarische Erfindung des Journalisten und Schriftstellers Francisco "Pancho" Guerra (1909-1961). Pepe Monagas ist die Verkörperung des schlauen kanarischen Bauers, der in die aufstrebende Stadt gezogen ist, in seinem Fall Las Palmas, auf einem der "Riscos", einer der steilen Vorstädte lebt, und sich irgendwie ohne große Anstrengung durchs Leben zu schummeln versteht. Arbeit geht er so weit wie möglich aus dem Wege. Sein Lebensprinzip ist: "Quién trabaja es que no sirve para otra cosa." Auf Deutsch: "Wer arbeitet, taugt zu nichts anderem. " Dafür trinkt er gerne mal einen Rum über den Durst, wenn andere bezahlen, und wenn etwas unbewacht herumliegt, sieht er es grundsätzlich als Fundstück an.
Das extreme Gegenteil zu Pepe Monagas ist Manolo Vieira, ein Produkt der Stadt, genauer, der Isleta, dem Hafenviertel von Las Palmas. Und es gibt ihn wirklich. Er hat sich selber erfunden. Auch bei ihm spielt die Sprache eine wichtige Rolle. Manolo Vieira ist ein ätzender Zyniker, dem nichts heilig ist, ein rauer, aber liebevoller Karikaturist seiner Landsleute. Seine Sprache ist das rasende "Kanarisch" der beiden großen Hafenstädte, manchmal vulgär, manchmal schmutzig, immer laut und respektlos, eher dem venezolanischen oder kubanischen Spanisch nahe als dem europäischen. Über den Humor verteidigen die beiden großen Sprach-Humoristen, und mit ihnen alle anderen der übrigen Inseln ebenfalls, ihr kanarisches Spanisch als gleichwertige Modalität innerhalb der spanischen Sprache.
Der Schritt aus dem Ghetto der humoristischen Sprache auf die Ebene der literarischen Sprache kam erst mit dem Schriftsteller Víctor Ramírez, aber mit diesem Autor betritt man schon das Gebiet der modernen Literatur der Kanarischen Inseln, die in diesem Buch leider nicht vorkommen kann.